Psychologie – quo vadis?

Das Arbeitsfeld der Psychologie im Angestelltenbereich ist im Umbruch

Der Arbeitsbereich der Psychologen* im Angestelltenbereich hat sich in den letzten Jahren verändert und wird sich zukünftig noch sehr viel schneller verändern.

Verschiedene Entwicklungen (z.B. Bologna-Reform, Änderung Tarifvertrag [BAT -> TVöD], Ärztemangel, Psychotherapeutengesetz) verursachen und beeinflussen diese Änderungen. Ob die Tätigkeit als Psychologe dadurch besser, schöner oder leichter wird ist derzeit noch nicht zu beurteilen – sie wird sich auf jeden Fall verändern.

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Die Bologna-Reform und ihre Folgen

Bachelor

1. Zukünftige Psychologen sind immer Bachelor

Mit der Bologna-Reform wurde der Diplom-Studiengang Psychologie abgeschafft. Der erste Abschluss für alle zukünftigen Psychologen wird auf jeden Fall der Bachelor sein, unabhängig davon, dass einige noch den Master und/oder den Psychotherapeuten als Abschluss anstreben.

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2. Die Politik hat sich bewusst oder fahrlässig für die Absenkung des Niveaus der psychologischen Versorgung entschieden.

Alle Studenten der Psychologie werden zunächst den Bachelor-Abschluss machen – im Regelfall nach 6 Semestern, teilweise nach 7 oder 8 Semestern (je nach Studiengang an der Uni oder Hochschule).

Nur für ca. 50-70% der Studienanfänger wird ein Masterstudienplatz zur Verfügung stehen – das ist politisch so gewollt:

  • „Die Kapazität für konsekutive Master-Studiengänge soll grundsätzlich auf höchstens 50% der Bachelor-Absolventenzahl bemessen werden“ . Bei Bachelor-Absolventen von Fachhochschulen könnten „etwa 30 Prozent“ weiterstudieren.
    Rundbrief Wissenschaftsministeriums NRW
    Quelle: Spiegel 6.4.2005 (http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,349850,00.html)
    Letzter Zugriff 16.02.2011
  • „nur überdurchschnittliche Bachelorabsolventen mit Interesse an wissenschaftlicher Arbeit werden ein Masterstudium absolvieren. Dieser Anteil wird aber nur gering sein.“
    Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU), 2004
    Quelle: Tagesspiegel 13.07.2009 (http://www.tagesspiegel.de/wissen/das-mastermaerchen/1556426.html)
    Letzter Zugriff: 16.02.2011

Folge: 30%-50% der Studienabgänger werden eine geringere Qualifizierung haben als in früheren Jahren, was einer durchschnittlichen Absenkung der Qualifizierung im Studiengang Psychologie entspricht.

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3. Bachelor-Absolventen sind motiviert, engagiert und kompetent

Der Numerus-Clausus im Studiengang Psychologie ist seit Jahren sehr hoch. Wer einen Studienplatz in Psychologie bekommt, könnte sich meist auch für Medizin bewerben.

Das Bewerbungsverfahren ist unübersichtlich (jede Uni hat eigene Formulare, Fristen und Kriterien) und zeitraubend. Die Bewerber müssen sich „kümmern“.

Statistik und Physiologie sind nach wie vor die „Spaßbremsen“ zu Studienbeginn und müssen geschafft werden, obwohl vielen nicht wirklich klar ist, wozu das eigentlich notwendig ist.

Nach wie vor ist Klinische Psychologie der erwünschte Tätigkeitsbereich, auch wenn die Hürden dazu immer höher geworden sind.

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4. Den „Psychologen“ wird es so nicht mehr geben

Das Berufsfeld wird sehr viel differenzierter. Das bisher von Diplom-Psychologen besetzte Berufsfeld, v.a. in Einrichtungen, wird bereits jetzt schon von drei verschiedenen Berufsgruppen (Bachelor, Master, Psychotherapeut) beansprucht. Die jeweiligen Tätigkeitsspektren werden schmaler und es kommt zwangsläufig zu Überschneidungen. Aus Gründen der tariflichen Eingruppierung wird aber auch eine genaue Abgrenzung erforderlich sein.

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5. Andere Berufsgruppen treten in Konkurrenz

Einerseits führt die Akademisierung von anderen Berufsgruppen (Pflege, Sporttherapie, Physiotherapie, Ergotherapie) vor allem in Kliniken zu mehr qualifiziertem Personal, das auch Leitungsfunktionen übernehmen kann und andererseits führt die teilweise Absenkung des Psychologieabschlusses zu der Situation, dass Psychologen zukünftig nicht mehr nur auf der Ebene der Mediziner angesiedelt werden, sondern auch (nur noch?) auf der Ebene der anderen Therapeuten.

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6. Die psychologische Tätigkeit wird schlechter bezahlt

Seit Einführung des TvÖD (Tarifvertrag Öffentlicher Dienst) werden die Mitarbeiter nicht mehr nach der Ausbildung (im BAT wurden Akademiker mit Uni-Abschluss automatisch nach BAT II bzw. IIa bezahlt) sondern nach der Tätigkeit bezahlt. Das war bisher kein wirkliches Problem, da Psychologen immer die gleich qualifizierte Tätigkeit ausgeübt haben.

Mit der Einstellung von Mitarbeitern mit Abschluss Bachelor (TvÖD 9) und deren Beschäftigung im psychologischen Bereich sind automatisch manche Tätigkeiten „heruntergestuft“ worden. Psychologen (Master, Dipl.-Psych., Psychotherapeuten), die sich auf solche Stellen/Tätigkeiten bewerben, können zukünftig nach der Tätigkeit und nicht nach der Ausbildung (TvÖD 13) bezahlt werden.

Seit Jahren ist dieser Effekt auch schon bei Psychologischen Psychotherapeuten zu sehen. Die Ausbildung wird in vielen Stellenanzeigen verlangt, die Bezahlung entspricht aber der der Diplom-Psychologen.

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7. Weiterbildung ist Pflicht

Seit Jahren ist zu beobachten, dass das Psychologiestudium nicht mehr ausreicht um bestimmte Tätigkeiten auszuüben.

Zertifizierte Krebszentren verlangen eine Weiterbildung zum Psychoonkologen, Diabeteszentren zum Psychodiabetologen, Schmerzzentren zum psychologischen Schmerztherapeuten, etc.

Um Präventionskurse in Entspannungsverfahren für Krankenkassen anbieten zu können, genügt das Psychologie-Studium nicht, sondern es ist ein zusätzlicher Kurs über Entspannung mit 32 Stunden erforderlich. Auch viele andere Berufsgruppen (Physiotherapeuten, Pflegekräfte, etc.) erreichen mit diesem Kurs die gleiche Befähigung Entspannungskurse durchzuführen!

Dieser Trend setzt sich durch den geringer qualifizierten Bachelorabschluss sicherlich fort.

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8. Es gibt keine einheitliche Ausbildung

Wer im Hochschulkompass (www.hochschulkompass.de) [Zugriff am 16.02.2011] „Psychologie“ als Studienwunsch eingibt und ein grundständiges Studium wünscht bekommt 172 Alternativen angeboten. Wer sowohl grundständig als auch weiterführend eingibt, bekommt 280 Studienangebote.

Darunter sind natürlich einige Angebote wie Beratungslehrer, aber auch Gesundheitsförderung und Psychology of Excellence. Zunehmend gibt es Angebote von staatlichen und privaten (Fach-)Hochschulen, die zum Teil neue, ungewöhnliche Kombinationen mti Psychologie anbieten.

Wenn man dann noch berücksichtigt, dass ein Master in Psychologie nicht zwingend einen Bachelor in Psychologie voraussetzt (nicht konsekutives Studium),  dann wird die Situation sehr unübersichtlich. Und auch die weiterbildenden Masterangebote für Berufstätige machen die Sachlage nicht leichter.

http://www.bachelor-studium.net/masterprogramme.html

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* Um die Lesbarkeit zu vereinfachen wird auf die zusätzliche Formulierung der weiblichen Form verzichtet. Wir weisen an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass sowohl die männliche als auch die weibliche Schreibweise für die entsprechenden Beiträge gemeint ist.