Psychosoziale Einflussfaktoren für die Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen bei Patienten mit einer Prostatakrebserkrankung

C. Lehmann et al.
Die Behandlung einer Prostatakrebserkrankung führt zu zum Teil langandauernden körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen. Dennoch nimmt nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Patienten eine Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch; die empirische Datenlage zu den Gründen hierfür ist bislang äußerst begrenzt. Die vorliegende Studie zielte daher unter explorativer Zielsetzung auf die Identifikation von Einflussfaktoren der Inanspruchnahme einer Rehabilitationsmaßnahme bei Patienten mit einem Prostatakarzinom.
Dargestellt werden die Ergebnisse des ersten Erhebungszeitpunktes einer prospektiven multizentrischen Studie zur Evaluation ambulanter onkologischer Rehabilitationsmaßnahmen. Untersucht wurden n=242 Prostatakrebspatienten in ambulanter bzw. stationärer Rehabilitation (Inanspruchnehmer), und n=253 Patienten, die keine Rehabilitation durchführten (Nichtinanspruchnehmer), mittels standardisierter Selbstbeurteilungsverfahren zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme bzw. nach Abschluss der Primärtherapie. Erfasst wurden folgende, aus vorliegenden Daten bei anderen Indikationsbereichen und klinischer Expertise abgeleitete unabhängige Variablen: Autonomiestreben (TPF), Selbstwirksamkeitserwartung (GSE), Distress (Distress-Thermometer), Angst und Depressivität (HADS-D), Lebensqualität (SF-8), soziale Unterstützung (SSUK), Rehabilitationsmotivation: Änderungsbereitschaft, Informationsstand, Skepsis bezüglich einer Rehabilitationsmaßnahme (PAREMO-20). Die erkrankungs- und behandlungsbezogenen Daten (Krankheitsstadium, Art und Anzahl weiterer Erkrankungen, Primärtherapien) der Patienten wurden von den behandelnden Ärzten dokumentiert.
Es zeigen sich nur wenige signifikante und bedeutsame Unterschiede zwischen Rehabilitanden und Nichtinanspruchnehmern. Patienten, die keine Reha-Maßnahme durchführten, leiden häufiger unter komorbiden Erkrankungen des Verdauungssystems (18% vs. 2%, w=0,25). Beide Patientengruppen berichten deutliche Einschränkungen ihrer Lebensqualität, insbesondere in körperlicher Hinsicht. Nichtinanspruchnehmer geben signifikant höhere Werte auf der Skala „Skepsis“ des PAREMO-20 an als Rehabilitanden (eta²=0,19). Die Skala „Skepsis“ wird auch als wesentlicher Prädiktor für die Inanspruchnahme einer Rehabilitationsmaßnahme identifiziert (R²=0,23). Weitere bedeutsame Einflussfaktoren sind das Vorliegen einer zusätzlichen gastrointestinalen Erkrankung, Selbstwirksamkeitserwartung und Erwerbsstatus (R²=0,12 bzw. jeweils R²=0,02). Mit zunehmender Skepsis gegenüber dem Rehabilitationserfolg bzw. bei Komorbidität sinkt die Wahrscheinlichkeit der Reha-Inanspruchnahme.
Bei Patienten mit Prostatakrebs scheint die subjektive Erwartung hinsichtlich der Effektivität einer Rehabilitationsmaßnahme zur Linderung der Beschwerden neben medizinischen Merkmalen von größerer Bedeutung für die Inanspruchnahme zu sein als soziodemografische oder belastungsbezogene Aspekte. In weiteren Studien ist zu klären, inwieweit sich dieses Ergebnis replizieren lässt, sowie die Frage, in welchem Umfang Patienten über Ziele und Behandlungskonzepte der medizinischen Rehabilitation aufgeklärt werden. Für die Praxis ist zu empfehlen, bei Information der Patienten über Rehabilitationsmaßnahmen regelhaft neben deren Belastungen auch Erwartungen und Befürchtungen zu explorieren, um so bestehende Zweifel ggf. ausräumen und die Versorgung optimieren zu können.

Thieme eJournals – Abstract

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